Sonneberg hat keine hohe Arbeitslosigkeit, gehört zur grenzübergreifenden starken Metropolregion Nürnberg und auch die Kriminalitätsstatistik spricht keine besondere Sprache im Vergleich zu anderen Orten in Thüringen. Und dennoch ist in Sonneberg ein AfD-Kandidat Landrat geworden. Die AfD hofft auf mehr. Was also tun?
Sonneberg ist bisher eine krasse politische Ausnahme in der Republik und gleichzeitig muss es ein dröhnendes Alarmsignal sein. Neben allen notwendigen entsetzten Ausrufen zur Wachsamkeit, empfinde ich einen selbstkritischen (nicht das demokratischer Lager verzwergenden) Blick für sinnvoll.
Minuten nach der Verkündung der Ergebnisse konnte man auf den sozialen Netzwerken beobachten, wie sich demokratische Parteien gegenseitig die Schuld am Ergebnis geben. Die Politik der Ampel verunsichere die Menschen, so die Union. Ampel-Politiker*innen konterten, die Union würde Diskurse der AfD aufgreifen („Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen, außer es ist gegendert“).
Die brutale Wahrheit ist wohl, dass beides nicht falsch ist. Im Diskurs hat die Brandmauer nach rechts gebröckelt. Und in letzter Zeit konnte man durch den verbalisierten Streit innerhalb der Bundesregierung den Eindruck gewinnen, dass „diese Demokratie“ nicht handlungsfähig sei. Das Gegenteil war der Fall, wie es uns das Lösen der Gasmangelkrise eigentlich gezeigt haben sollte.
Ich glaube aber, dass es auch dieser permanente „Aber-Ihr“ Reflex unter den demokratischen Parteien ist, der ein Problem ist. Wenn alle Herausforderungen, die unzweifelhaft vor uns liegen, immer automatisch ein Fehler des demokratischen Gegenübers sind, dann erzeugt die Demokratie selbst den Eindruck, dass eine Lösung außerhalb dieser Strukturen liegen müsste.
Und: So sehr man mit diesem „Aber-Ihr-Reflex die eigenen Parteitage gewinnen kann, desto deutlich wird auch: Außerhalb der Orte von Parteiorganiserten, interessiert das meist niemanden.
Gleichzeitig erleichtert es den Populisten eine Erzählung, die „die Bürger“ aus dem demokratischen Diskurs extrahiert und den demokratischen Diskurs verächtlich zu einer elitären Diskussion von Journaille und Parlament erklärt. Diese Erzählung war offenkundig in Sonneberg erfolgreich und das ist wohl das gefährlichste Problem.
Ein rechtsextremer Landrat ist eine krasse Ausnahme, aber keine Petitesse. Diese Wahl ist erschütternd und macht Minderheiten Angst.
Es braucht jetzt auch einen Widerspruch der Anständigen, gepaart mit dem gemeinsamen Versuch die Demokratie wieder als das zu begreifen und zu kommunizieren, was es immer war: eine Einladung im Respekt vor dem Gegenüber und mit der Wahrung von Minderheitsrechten mitzumachen. Nicht mit der Faust auf dem Tisch, sondern mit Argument und Verständnis.
Das gilt aber auch für uns Politiker*innen: Das Aufzeigen, wohin es nach der Auffassung des jeweiligen Akteurs gehen soll, ist so viel relevanter und interessanter, als das Bohren und Gekloppe, ob Grün, Gelb, Rot oder Schwarz wann etwas mal falsch formuliert, fatal abgestimmt oder frech war.
Arbeitskräftemangel, Klimakrise und der erodierende soziale Zusammenhalt: Für die Herausforderungen die vor uns liegen, brauchen wir alle und jeden. Das gelingt mit einer Gesellschaft, die in Vielfalt zusammen hält und gemeinsam berät, wohin unsere Reise geht. Nur eins sollte uns allen dabei klar sein: Ein Protest rechtfertigt nie eine Wahl von Rechtsextremen. Rechts gibt es keinen Weg. Rechts ist nur der Abgrund.