Assads Schreckensherrschaft ist zuende – was kommt nun?

Am Sonntag ist die Herrschaft des mehrfachen Verbrechers gegen die Menschlichkeit Bashar al-Assad gewaltsam beendet worden. Eine Koalition von eigentlich konkurrierenden Milizen hat die syrische Armee besiegt und die Hauptstadt Damaskus eingenommen. Wie es weiter geht in dem Land, das seit 11 Jahren Bürgerkrieg unendliches Leid gesehen hat, ist vollkommen offen – trotzdem sprechen einige nur einen Tag später bereits von Rückführungen von syrischen Geflüchteten. Ich bin fassungslos.

Zunächst: Der Sturz von Assad, der auch der Schlächter von Damaskus genannt wird, ist ein Hoffnungssignal für Millionen. Viele Syrer haben nun Grund zur Hoffnung, dass in Ihrer Heimat bald ein nachhaltiger Frieden einkehren kann. Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand Garantien über die Sicherheitslage in Syrien abgeben. Hier ein kurzer Überblick über die komplizierte Situation in dem Land:

Angeführt wurde die Anti-Assad Koalition von dem islamistischen Bündnis Hayʼat Tahrir al-Sham (kurz HTS). Obwohl sich das Bündnis, bestehend aus vielen Milizen, in der Vergangenheit von al-Qaida und dem IS distanziert hat, wird die Organisation weiterhin von der UN als Terrororganisation eingestuft. Neben den islamistischen Gruppierungen haben die kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) und die Syrische Nationale Armee (SNA) zusammen gegen Assads Regime gekämpft. Allerdings sind diese beiden Gruppierungen verfeindet und kämpfen bereits jetzt um die autonomen Kurdengebiete im Norden Syriens.

Es zeigt sich: Die Lage in Syrien ist weit entfernt von Stabilität und Sicherheit. Zudem hat sich die Situation im Laufe der Jahre zunehmend zu einem Stellvertreterkrieg entwickelt, indem eine Vielzahl von unterschiedlichen Drittstaaten involviert sind. So wird die z.B. die SDF von der USA unterstützt, die SNA von der Türkei, Russland unterstütze Assad und unterhält weiterhin zwei große Militärstützpunkte in Syrien und zudem sind der Iran, die Hisbollah und auch Israel in dem Konflikt beteiligt.

Aktuell muss es unsere erste Priorität sein der Region und seinen Bürger*innen unsere volle Aufmerksamkeit zu schenken und falls möglich zu einem friedlichen und inklusiven Machtübergang beizutragen. Wer aber jetzt davon spricht Syrer*innen in Ihre Heimat zurückzuschicken, hat entweder absolut keine Ahnung von der Situation im Nahen Osten oder schürt auf niederträchtige Art und Weise Stereotypen und Ressentiments gegen Eingewanderte.

Natürlich werden einige Syrer*innen früher oder später in ihre Heimat zurückkehren wollen – doch viele haben hier in Deutschland eine neue Heimat gefunden, sich integriert, sind heute unsere Kolleg*innen, Nachbar*innen und Freund*innen. Integration bedeutet, neue Wurzeln zu schlagen. Wer 2015 zu uns floh, ist seit knapp 10 Jahren hier. Es sind Menschen, die sich in Parteien und Vereinen engagieren, die Kinder in deutschen Schulen, junge Erwachsene, die hier ihre Ausbildung oder ihr Studium angeschlossen haben. Darüber sollte man doch jubeln und das Potenzial sehen. Es sind doch längst unsere Freund*innen, Kolleg*innen und Nachbarn.

Es ist doch absurd, dass ausgerechnet diejenigen, die sonst so lautstark die Notwendigkeit, ja Pflicht zur Verwurzelung in Deutschland betonen (und zu oft mit Bier und Weißwurst verwechseln), jetzt diese Wurzeln wieder ausreißen wollen. Die Geflüchteten von damals sind doch längst ein Teil von uns.