Die friedliche Revolution hat es verdient, nicht von Rechts instrumentalisiert zu werden

Friedliche Revolution Leipzig Oktober 1989. Foto: Wolfgang Schmidt. Quelle: Evangelische Kirche in Mitteldeutschland. https://www.ekmd.de/

Vielleicht erinnern Sie sich an November 2020, als eine verwirrte Querdenken Rednerin und selbsternannte Freiheitskämpferin sich mit Sophie Scholl verglich, und anschließend sogar von ihrem eigenen Ordner vorgeführt wurde. So ähnlich hat sich vor zwei Wochen die AfD im Landtag NRW angestellt als Sie sich, 35 Jahre nach der großen Montagsdemonstration in Leipzig, mit der friedlichen Revolution in der DDR verglich.

In dem besagten Antrag der AfD heißt es konkret: „35 Jahre nach dem Mauerfall zeigen sich besorgniserregende Entwicklungen, die Parallelen zur Medienkontrolle der DDR aufweisen.”

Medienkontrolle wie in der DDR? In der DDR wurden die Inhalte der Medien zentral aus dem Politbüro der SED gesteuert. Das heißt, es wurde nicht über die Regierung berichtet, sondern ausschließlich von der Regierung. Darüber hinaus sprechen wir bei der DDR von einer ausgewachsenen Diktatur, dessen Zensurinstanzen Zeitungen, Literatur, Film und alle möglichen anderen Informations- und Medienquellen überwachten und bei Abweichungen hart bestrafen konnten. Und wie kamen neutrale Informationen in die DDR? Vielfach über den heute von der AfD so gehassten und auch in diesem Antrag gescholtenen öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Bundesrepublik.

Die AfD sieht nun eine Parallele zwischen dem autokratischen Regime der DDR, welches sich genötigt sah Störsender gegen „Westfernsehen“ zu errichten, und dem aktuell diskutierten Demokratiefördergesetz auf Bundesebene: „Die Ministerinnen Paus und Faeser haben ein „Demokratiefördergesetz“ vorgelegt, welches mit rund 200 Millionen Euro Steuergeld im Jahr Initiativen fördern soll, die sich vorgeblich für „Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ einsetzen.“ – so heißt es im Antrag der AfD.

Ja, Sie haben ganz richtig gelesen: Die AfD setzt die finanzielle Unterstützung von zivilgesellschaftlichem Engagement für Vielfalt und Toleranz mit einer autokratischen Zensur- und Propagandamaschinerie gleich.

Unabhängig von der grotesken Absurdität ist diese Inszenierung als Erben der DDR-Bürgerrechtsbewegung seitens der AfD vor allem an Respektlosigkeit nicht mehr zu übertreffen. Vor 35 Jahren demonstrierten tausende mutige Menschen in Ostdeutschland gegen ein Regime, das ihnen systematisch Mitbestimmung, Selbstbestimmung und freie Meinungsäußerung gewaltsam untersagte. Die Menschen, die in der DDR für ihre Freiheit kämpften, wollten Demokratie und wurden zu Opfern der SED. Die AfD hingegen missbraucht die Freiheiten, die unsere Demokratie ihnen bietet und versucht die Demokratie von innen auszuhöhlen. Wolf Biermann hat es treffend formuliert: „Die, die zu feige waren in der Diktatur, rebellieren jetzt ohne Risiko gegen die Demokratie.“ Um es einmal klar zu sagen: Die AfD verbindet nichts mit der DDR-Bürgerrechtsbewegung.

Vor der Montagsdemo am 11.12.1989, Kundgebung auf dem Karl-Marx-Platz. Foto: Martin Naumann.
Quelle: Homepage Lichtfest. https://www.lichtfest.leipziger-freiheit.de/herbst-89.html.

In Wahrheit träumt die AfD sogar immer wieder von der kulturellen Homogenität der DDR. Die AfD träumt von einer Gesellschaft, in der alle nach einer Vorstellungen (ihrer Vorstellung) denken. Früher hat die SED bestimmt, was richtig und falsch ist, heute will die AfD und ihr sogenanntes Vorfeld diese Rolle übernehmen. Ganz konkret heißt das: Bestimmen wie Frauen sich zu kleiden haben oder völkisch definieren wer zu „uns Deutschen“ gehört. In Thüringen wollte die AfD 2018 Schulbücher von angeblichen „Linken Tendenzen“ befreien, ein Jahr später in Dessau ein Theaterstück als „linksextrem“ verbieten lassen und dem Theater die Mittel kürzen. Was wenn nicht das, ist denn eine Bedrohung der Freiheitsrechte, die Menschen in diesen beiden Städten vor 35 Jahren erkämpft haben?

Das die die Politik der AfD nichts mit Meinungsfreiheit und auch nichts mit der friedlichen Revolution zu tun hat, wird auch deutlich wenn man mal einen Blick auf Homepage der Initiative Tag der Friedlichen Revolution wirft. Erst letztes Jahr am 9. Oktober, also am Jahrestag der großen Montagsdemonstration, hat die Rednerin und Auslandsjournalistin Golineh Atai in der Nikolaikirche in Leipzig folgendes gesagt: “Anti-Demokraten und Autokraten sind längst im Kampf-Modus. Wer ihre Sprache spricht – kämpft an ihrer Seite. Sie wollen die Macht. Sie wollen die Demokratie zerstören. Dafür haben sie ihre Sprache ausgearbeitet, sich strategisch positioniert. Sie nutzen die Freiheit zur Systemkritik – um das politische System zu zersetzen. Sie haben ein klares Lehrbuch, von Texas über Budapest bis Thüringen.”

Die Angriffe der AfD auf die Meinungsvielfalt in unserem Land verhöhnt alles, was die Bürgerrechtsbewegung erkämpft. Mit dem besagten Antrag, stellt sich die AfD in das Erbe derer, die für Pressefreiheit kämpften, und gleichzeitig bezeichnen Sie kritische Journalisten als „Lügenpresse“. Sie behaupten, im Erbe der Bürgerinnen und Bürger zu stehen, die sich in Demokratieinitiativen gegen Autoritarismus wendeten, doch mit dem Angriff auf das Demokratiefördergesetz zielt die AfD genau auf jene Projekte, die Demokratie im Kleinen stärken. Die tägliche Arbeit der AfD, so auch dieser Antrag, ist nicht die Verteidigung der Erfolge der friedlichen Revolution. Es ist deren Angriff.